23. Mai 2017 Simon Scholz

Getting Things Done – Selbstmanagement für den Alltag?

Zu den am meisten diskutierten Werken zum Selbstmanagement gehört in den letzten Jahren sicherlich “Getting Things Done” von David Allen. In der deutschen Fassung als “Wie ich die Dinge geregelt kriege” übersetzt. Gut, ich bin Lesemasochist. Ich lese alles, was ich mir vornehme, bis zum bitteren Ende. Damit bin ich einiges gewohnt und komme mit schlechten Übersetzungen und kulturellen Eigenheiten der Autoren relativ gut klar. Nicht zu unterschätzen ist hier die Arbeit mit wissenschaftlicher Literatur, die sowohl inhaltlich wie sprachlich oft eine Herausforderung darstellt. In diesem Fall ist mir die Übersetzung aufgefallen, aber nicht, wie in vielen Rezensionen als unverständlich. Dementsprechend möchte ich mich auf den Inhalt konzentrieren, der ein System zum Selbstmanagement entwickelt, das von bestimmten Werkzeugen losgelöst ist.

Selbstmanagement nach Getting Things Done

Der Inhalt des Buchs bleibt über die verschiedenen Auflagen relativ konstant, so dass die deutsche Erstausgabe, die ich hier bespreche, auch heute noch als adäquat für die Methodik gesehen werden kann. Der Unterschied zur 2011er Auflage ist minimal und eher formal, zu 2015 scheint es noch einmal einen Sprung gegeben zu haben, insbesondere was digitale Werkzeuge angeht. Den grundsätzlichen Aufbau des Systems kann man anhand des, mehrfach variierten, Flussdiagramms in Kapitel 2 gut erkennen. Weitere Details zur Denkweise, Werkzeugen und Handlungsanweisungen finden sich dann auf den weiteren über 300 Seiten.

Flussdiagramm des Systemkerns

Flussdiagramm des Systemkerns

  1. Erfassen: Alles aufschreiben, an einem Ort
  2. Durcharbeiten: Kategorisieren nach Müll, Delegation, Später, Sofortaktion, Wissensablage
  3. Organisieren: Wiedervorlage, Warteschlange, Terminkalender, ToDo-Listen, etc. zum Leeren füllen
  4. Durchsehen: Täglich und wöchentlich entscheiden, was zu tun ist
  5. Erledigen: Action! (anhand mehrerer Kriterien und Modelle)

Dieser Ablauf wiederholt sich permanent, insbesondere die Schritte 1-3 unterliegen täglichen und wöchentlichen Kreisläufen. Diese sind dann, zusammen mit der systematischen Erfassung, der Kern der Methodik. Interessant ist dabei noch der Blick, den Allen auf sein System anwendet. Er spricht von einer Bottom-Up Perspektive, die von der einzelnen Tätigkeit ausgeht und so das System bildet. Dabei verweist er anhand der Metapher der Flughöhe auf verschiedene Bildausschnitte (Nahaufnahme mit vielen Details bis Landschaft mit Überblick) der Lebenswelt, die alle ihre Berechtigung haben. Im Hinblick auf die Bündelung von (mindestens zwei) Aufgaben zu einem Projekt nimmt er auch eine weitere Flughöhe auf, größere Ziele und Orientierung finden sich weniger. Hier wäre z.B. eine Kombination mit der 4- Stunden-Woche von Tim Ferris denkbar.

Got Things Done?

Pro Kontra
  • Flussdiagramme geben System sehr gut wider
  • Sammeln aller Aufgaben, Gedanken, etc. an einem Ort zur geistigen Entlastung
  • 2-Minuten-Regel (alles, was sich in zwei Minuten erledigen lässt, sofort tun)
  • Listen nach Kontexten statt Priorität
  • Definition des und Orientierung am nächsten Schritt
  • Schwache Übersetzung und zu viele Wiederholungen
  • Unvorhergesehenes, das sofort erledigt werden muss, passt nicht ins System
  • Zu viele Prozesse um einfaches System zu erhalten

Insgesamt finden sich viele gute Ansätze und einzelne Werkzeuge in diesem Buch. In der Summe sind die Vorgaben aber vielleicht etwas überkomplex im Prozess und unterkomplex im Verständnis heutiger Lebenswelten. Hierzu gehören sowohl die Digitalisierung als auch Fragen des Work-Life-Blending oder Kollaboration mit weisungsgebenden Anderen (Kunde ist König, Chefs,…). Da dies wohl zu allererst dem Veröffentlichungsdatum zu schulden ist, bleibt ein durchaus positiver Eindruck bestehen. Zur Abwehr der Kritik empfiehlt sich ein Griff nach der aktuellen Originalausgabe (eng.) oder eine der vielen Zusammenfassungen (oder hier).

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